Rückruf

Spass ist wichtig - im Ernst!

Für das Training mit unseren Hunden gilt wie überall im Leben: Schneller Erfolg ist nicht unbedingt ein Beweis für nachhaltig wirksame Arbeit. Viel wichtiger ist, dass der Hund Spass am Lernen hat. Dann klappt es auch im Ernstfall. Ein Beispiel von Alice Bigler.

(Foto: pixabay)
(Foto: pixabay)

Letztens war ich im Hundewald unterwegs. Rumo trifft eine junge Artgenossin, ich eine ältere. Während meine Rennsemmel ausgelassen spielerisch die Anwesenheit seiner neuen Freundin feiert, höre ich meinem Gegenüber bei ihrem Monolog über Hundehaltung zu. Soweit so gut. Doch dann nimmt Rumo Im Überschwang der Spieldynamik in vollem Karacho die Kurve, rennt „freudestrahlend“ auf mich zu – und vergisst zu bremsen. Wumms! Mir bleibt für eine Zehntelsekunde die Luft weg, Rumo wuselt um mich herum, ich lache ihn an, sage so was wie "Jaja du Flitzer, konntest wieder nicht bremsen?!" und entlasse ihn in die Freiheit.

 

Was mein Gegenüber zum Anlass nimmt, mich darüber aufzuklären, was da gerade geschehen ist. Und was dieses Geschehen über die Machtverhältnisse in Rumos und meiner Beziehung aussagt. Vor allem aber: was da jetzt unbedingt zu tun ist. "Das ist aber unhöflich von Ihrem Hund! Der hat keinen Respekt, Sie müssen ihm zeigen, wer hier der Boss ist…" Undsoweiterundsofort. Ich nicke und gehe wortlos weiter, denn hier treffen einfach zwei grundlegend unterschiedliche Weltanschauungen aufeinander, die auch mit der beherztesten Diskussion nicht einander anzunähern wären.

 

Und so referiert meine Begleitung weiter. Bis Rumo und seine Weggefährtin etwas ungeheuer Verlockendes in die Nase bekommen. Blitzartig fällt die gemeinsame Entscheidung: Nix wie hin! Und die Jagd wird mit einem Spurt eröffnet. Ich gebe meine Umorientierung und beginne mit dem Ankersignal: Rumo macht einen Bogen und rennt im vollen Karacho „freudestrahlend“ auf mich zu. Allein. Denn Rumo's neue Freundin rennt weiter dem Düftchen nach, während sich meine Begleiterin die Seele aus dem Leib schreit.

 

Es mag nicht von ungeheurer Weisheit zeugen, aber ich bin nun mal auch nur ein Mensch – in diesem Moment konnte ich mir ein schadenfreudiges Lächeln nicht verkneifen. Und nach meinem langen Schweigen während ihres Vortrags hatte ich dann doch noch etwas zu sagen: "Wissen Sie, deswegen rüge ich meinen Hund nicht, wenn er in der Hitze des Gefechts in mich reindüst. Es soll sich für ihn immer lohnen und gut anfühlen zu mir zu kommen. Dann klappt's, auch wenn's Ernst gilt…."

Ich bin mir nicht sicher, ob mich das Frauchen von Rumos Freundin überhaupt gehört hat. Sie war immer noch damit beschäftigt, ihren Hund zu sich zurück zu befehligen.

Was das Video zeigt: In der Distanz zwei Hunde bei der Mäusejagd, eine ihrer grössten Leidenschaften. Entsprechend anspruchsvoll ist es für sie, ihre Jagd auf Pfiff abzubrechen und zu mir zu kommen. Wenn der doppelte Rückruf gut aufgebaut ist, gelingen aber auch solche Herausforderungen.


Alice mit Rumo (Bild: Willem Bosboom)
Alice mit Rumo (Bild: Willem Bosboom)

Alice Bigler, Hundetrainerin bei TeamMenschHund in Tägertschi (BE)

  • Mein Hund heisst: Rumo Rennsemmel aka Gummiball und Wildsau
  • Mein Motto im Umgang mit Hunden lautet: Hunde sind Individuen, sie haben das Recht, im Zusammenleben mit ihren Menschen als das wahrgenommen und respektiert zu werden.
  • Der Film, in dem mein Hund die Hauptrolle spielen würde, hätte den Titel: "Speed 3 oder der mit dem Ball tanzt"
  • Ein Lieblingsbuch zum Thema Hund: "Das andere Ende der Leine" von Patricia McConnell
  • Was ich an meinem Hund besonders liebe/bewundere: seine unermüdliche Energie und Hingabe für das, was er macht.
  • Mein erster Hund war: ein Boxer namens Smilla

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