Gewitterangst


von Dr. Ute Blaschke-Berthold

 

Angst vor Gewittern ist bei Hunden weit verbreitet. Ein Hund muss nicht "schlechte Erfahrungen" während eines Gewitters gemacht haben, um diese Angst zu entwickeln. Hunde bringen Gewitterangst als Eigenschaft mehr oder weniger mit, denn ein Gewitter besteht aus Reizen, die ohne Lernen das Gefühl der Bedrohung auslösen. Biologisch ist es sinnvoll, wenn ein Tier sich während eines Gewitters verkriecht. Damit es sich aber verkriecht, muss es sich bedroht fühlen!

Es ist ein weit verbreiteter Fehler, von einer ruhigen Oberfläche auf ein ruhiges Innere zu schliessen. Trügerisch ist eine glatte Oberfläche - nicht nur bei Gewässern: unter dieser Oberfläche kann sich sehr viel bewegen! Ein Hund, der oberflächlich ruhig ein Feuerwerk, ein Gewitter erlebt, kann sich innerlich dennoch in einem Alarmzustand befinden. Dieser Alarmzustand steigert sich häufig von Gewitter zu Gewitter, bis die Angst durch die Oberfläche bricht und auch für uns Menschen deutlich wird.

Hinzu kommt noch, dass bestimmte Faktoren Angst verschlimmern. Solche Faktoren sind:

  • weitere Stressoren wie Schmerz, Frustration, andere Angstauslöser und Trennung von Bezugspersonen
  • die Dauer des bedrohlichen Ereignisses
  • die Jugendentwicklung
  • das Altern.

Es ist sinnvoll, bei solchen Ereignissen gegen das Auftreten von für uns offensichtlicher Angst vorzugehen.

Das letzte Gewitter vor ein paar Tagen hatte unsere Hündin, die kurz vor der Entwicklung zur Geschlechtsreife steht, ausgestreckt verschlafen. Von aussen sah das sehr gut aus, aber wir können nichts über ihre Herzfrequenz und den Spiegel der Stresshormone sagen. Ausserdem ist die Entwicklung zur Geschlechtsreife eine Zeit, in der Ängste bei Hunden oftmals sehr deutlich werden und stolze Welpenbesitzer zum ersten Mal "Rückschläge" im Verhalten ihrer jungen Tiere erfahren. Aus diesem Grund achten wir sehr darauf, dass wenigstens ein Mensch unserer Familie zu Hause ist, wenn Gewitter angesagt worden sind. Wir geben den Hunden etwas zu tun, damit sie ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf das Umweltereignis richten können. Optimal gegen Angst wirkt Spiel! Allerdings dauert ein Gewitter oft zu lange, um es für den Hund mit Spielen zu verknüpfen. Ein guter Kompromiss sind Kauartikel. Sie setzen eine gewisse körperliche Aktivität voraus und sind mit Nahrungsaufnahme verbunden, die den Hund zum Weitermachen motiviert. Zudem ist die Beschäftigung mit Kauartikeln auch möglich, wenn der Hund alleine zu Hause ist.

Leider kommen viele Hundehalter immer erst dann auf die Idee, ihrem Hund etwas zum Kauen anzubieten, wenn er bereits bei Gewitter oder Trennungsstress deutliches Angstverhalten zeigt. Oft ist es dann zu spät, denn der Hund ist schon so gestresst, dass ihm keine Teilung der Aufmerksamkeit durch Kauen und Nahrungsaufnahme mehr möglich ist.

Wichtig: Strategien zur Bewältigung stressender Situationen werden optimal aufgebaut, wenn Angst noch nicht offensichtlich ist. Ein Hund erwartet dann z.B. bei Gewitter, etwas Attraktives zum Kauen zu bekommen. Es ist diese Erwartung, die den alleinigen Fokus auf das bedrohliche Ereignis verhindert und den Hund zum befriedigendem Alternativverhalten motiviert.


© cumcane familiari/Dr. Ute Blaschke-Berthold