Maulkorbtraining

Wertvoller Helfer mit schlechtem Image

Der Maulkorb – für die Öffentlichkeit gilt er als Erkennungszeichen eines aggressiven Hundes, und bei Tier und Mensch ist er meist gleichermassen unbeliebt. Dabei leistet er Hund und Halter in schwierigen Situationen gute Dienste und erhöht nicht selten die Lebensqualität eines Vierbeiners. Unter bestimmten Voraussetzungen.

Müssen alle Hunde einen Maulkorb tragen können? Wenn ich diese Frage meinen Kunden im SKN-Praxiskurs stelle, dann schauen mich die meisten mit grossen Augen an und finden, der Maulkorb sei ja nur bei bissigen und aggressiven Hunden nötig. Es ist leider tatsächlich so: der Maulkorb wird als Indiz angesehen, dass es sich bei dem Hund um einen gefährlichen Vertreter seine Art handelt, entsprechend negativ ist der Maulkorb bei vielen Hundehaltern und in der Öffentlichkeit besetzt. Zu Unrecht. Denn ein gut, also positiv auftrainierter Maulkorb kann den Tierarztbesuch für alle Beteiligten entspannter gestalten. Und er kann Hundeleben retten.

 

Es vergeht im Internet kaum ein Monat ohne Giftköderalarm. In den vergangenen Monaten waren sie wieder besonders häufig, sowohl in der Schweiz wie auch im benachbarten Ausland. Und im Zusammenhang mit diesen Meldungen wird standardmässig ermahnt, den eigenen Hund auf den Spaziergängen gut im Auge zu behalten, damit er unterwegs nichts frisst, was nicht von uns kommt. Schön und gut. Doch was, wenn mein Hund es liebt, auf grossen Wiesen und Feldern rum zu flitzen, da und dort die Nase auf den Boden zu setzen, um zu stöbern? Oder wenn ich eine kleine Fressmaschine habe, die unablässig nach Fressbarem Ausschau hält? Dann wird die Kontrolle ohne Leine extrem schwierig. Wir wären also gezwungen, die Bewegungsfreiheit unserer Hunde drastisch einzuschränken und sie an einer maximal drei Meter langen Leine zu führen. Immer und überall. Und nicht mal dann können wir ganz sicher sein, dass unser Hund nichts Fressbares in den Fang nimmt. Wollen wir die Lebensqualität unserer geliebten Fellnasen wegen einiger kranker Menschen wirklich so drastisch einschränken, indem wir ihnen ihre Freiheit und die Möglichkeit zum Rumtoben nehmen?

Es gibt aber noch eine andere Situation, in der ein Maulkorb sinnvoll, wirksam und von daher empfehlenswert ist: bei Hunden mit einer Futterallergie muss eine Ausschlussdiät Aufschluss darüber geben, auf welche Stoffe der Körper des Hundes genau reagiert. Während dieser Zeit darf er auf keinen Fall etwas anderes fressen, als das für die Ausschlussdiät zugelassene Futter. Mit einem Maulkorb kann ich auch in diesem Fall dem Hund eine gewisse Freiheit auf dem Spaziergang geben, ohne dass ihn der Mensch auf Schritt und Tritt verfolgen muss, um einschreiten zu können, wenn der Hund etwas aufnimmt.

Das Doggenmädchen reagiert an der Leine auf Artgenossen aggressiv.  Eine der Ausnahmen ist dieser Labi-Mix. Hier ermöglicht der Maulkorb einen Sozialkontakt, bei dem Mensch wie Hund trotzdem entspannt miteinander unterwegs sein können. (Film: Tierheim Pfötli)

 Stichwort Tierarzt. Dass ein Hund nach der untersuchenden Hand des Arztes oder der Ärztin schnappt, kann zwei Ursachen haben: Angst oder Schmerzen. Wenn beides nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dann sollte der Hund einen Maulkorb tragen. Muss ich befürchten, dass mein Hund während einer Untersuchung oder Behandlung schnappen oder auch richtig zubeissen könnte, dann bin ich unweigerlich nervös. Und diese Nervosität übertrage ich auf meinen durch die Situation bereits gestressten Hund. Wenn ich aber weiss, dass nichts passieren kann, bin ich automatisch entspannter, was wiederum meinem Hund helfen kann.

Und dann sind da noch die Gesetze im In- und Ausland, die für gewisse Hunderassen eine Maulkorbtragepflicht beinhalten, sei es ganz generell oder z.B. bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Es gibt also zahlreiche gute Gründe, seinen Hund an das Tragen eines Maulkorbs zu gewöhnen.

 

 Wie sollte der der Maulkorb beschaffen sein? Und muss es denn wirklich ein Korb sein oder genügt nicht auch eine textile Maulschlinge? Ich empfehle in jedem Fall den Maulkorb, und zwar ein leichtes, gut sitzendes Modell aus Kunststoff mit einer Polsterung über der Hundenase. Ein Korb hat den Vorteil, dass der Hund bei hohen Temperaturen gut hecheln und Wasser trinken kann. Ausserdem kann er trotz Korb kauen und lecken, Goodies oder Futtertuben-Belohnungen können bei einem Korb also gut gegeben werden.

Beim Kauf eines Maulkorbes gilt es, auf ein paar wesentliche Kriterien zu achten: Er sollte fest auf dem Fang sitzen und dabei weder zu locker noch zu eng anliegen. Wichtig ist, dass er nicht über die Augen rutschen kann. Bei Hunden mit einem eher breiten Fang muss sichergestellt sein, dass der Rand des Maulkorbes keine Druckstellen entstehen lässt. Insgesamt sollte das Modell über eine gute Polsterung verfügen, damit es angenehm zu tragen ist. Ist der Hund geräuschempfindlich, ist ein Schnallenverschluss statt Schnappverschluss zu empfehlen

Gittermaulkorb mit guter Polsterung
Mehrfach gesichert und optimal gepolstert: Auch mit diesem Modell kann der Hund ungehindert hecheln und Futterbelohnungen annehmen.

 Der für meinen Hund richtige, gut sitzende Maulkorb ist also nicht auf die Schnelle zu finden, man sollte sich Zeit lassen, verschieden Modelle in Ruhe auszuprobieren. Das ist aber in den meisten Läden nicht möglich. Vor allem mit einem Hund, der sensibel auf fremde Personen, viele leckere, unbekannte Gerüche und andere Hunde reagiert. Bekommt er dann von einer Verkäuferin noch einen Maulkorb nach dem anderen einfach über die Schnauze gestülpt, ist der Stress perfekt, und der Hund hat den Maulkorb bereits negativ verknüpft. Mein Tipp: Suchen Sie sich ein Fachgeschäft, bei dem die Möglichkeit besteht, eine Auswahl an Modellen mit nach Hause zu nehmen und in gewohnter Umgebung in Ruhe auszuprobieren. Oder Sie lassen Ihren Hund im Auto und fragen im Geschäft nach, ob Sie drei, vier Maulkörbe auswählen und zur Anprobe mit zum Auto nehmen dürfen. Ebenfalls zu empfehlen: Online-Shops wie „Color of Snow“, die anhand Ihrer Angaben eine Anprobe-Box mit diversen Modellen zusammenstellen und Ihnen nach Hause schicken.

Ohne Druck, ruhig, mit viel Lob und Belohnung: Carmen Karger zeigt mit Finja das positive Auftrainieren eines Maulkorbs.

Entscheidend dafür, dass ein Hund den Maulkorb gerne trägt, ist das schrittweise positive Auftrainieren. Es lohnt sich, dieses Training unter der Anleitung einer Fachperson durchzuführen, die mittels positiver Bestärkung arbeitet wie z.B. die ccf-zertifizierten Trainerinnen und Trainer. Sie selbst können aber Ihren Hund mit einer einfachen Übung auf das Training vorbereiten: Lassen Sie ihn einfach immer mal wieder einen von Ihnen gehaltenen Joghurtbecher auslecken. So wird das Vorstrecken der Nase in ein Behältnis mittels etwas Leckerem positiv verknüpft. Wichtig ist, dass der Hund freiwillig die Nase in den Becher und später in den Maulkorb steckt. Das erfordert unter Umständen etwas Geduld und ein kleinschrittiges Vorgehen, denn jeder Zwang und ein Vorgehen mit Druck wirkt sich kontraproduktiv aus. Aber diese Investition an Zeit und Geduld lohnt sich. Am Ende wird das Tragen eines Maulkorbes für Ihren Hund so selbstverständlich sein wie für uns Menschen das Tragen einer Sonnenbrille.

 

Bei Pfötlihund Juri ist der Maulkorb durch das sorgsame Auftrainieren so positiv verknüpft, dass er ihn sich quasi selber anzieht. (Film: Tierheim Pfötli)


Hundetrainerin Carmen Karger mit ihrer Hündin Finja
Carmen Karger mit Finja

Carmen Karger, Inhaberin der Hundeschule Tintelümpli in Altendorf

- Mein Hund heisst Finja

- Mein Motto im Umgang mit Hunden: Pflege immer einen fairen, respektvollen Umgang mit deiner Fellnase, so dass Vertrauen und Lernen mit Freude stattfinden kann.
- Der Film, in dem meine Hunde die Hauptrolle spielen, hätte den Titel "Bedingungslose Liebe"

- Mein Lieblingsbuch zum Thema Hund: Ich habe viele. Aber „die Welt in seinem Kopf“ von Dorothée Schneider finde ich ein sehr verständliches, auch für Menschen mit noch wenig oder ohne Erfahrung mit Hunden geeignetes Buch. Die Lerntheorie des Hundes wird hier sehr verständlich erläutert.
- Was ich an Hunden besonders liebe: Die Freude am (gemeinsamen) Lernen.
- Mein erster Hund war Cindy, ein Berner Sennenhund/Entlebucher-Mix

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Kommentare: 4
  • #1

    Angie (Montag, 07 März 2016 13:02)

    Was ich aber nicht nachvollziehen kann "der Hund soll kauen und lecken und Wasser trinken können", aber es soll unterwegs "nichts Fressbares in den Fang nehmen". Wie das gehen soll, erschließt sich mir leider nicht. Und genau das ist bei meiner Labrador-Hündinn das Problem.

  • #2

    Carmen Karger (Dienstag, 08 März 2016 07:31)

    Mit einem Maulkorb ist es für den Hund möglich, in einem Bach Wasser zu trinken, da das Wasser in den Korb rein läuft. Belohnungen, z.B. Belohnungs-Tube, werden zwischen den Korbstäben hindurch gegeben, ebenso die Leckerli. Der Hund kann nicht selbständig etwas Fressbares vom Boden aufnehmen, vorausgesetzt, der Maulkorb ist nicht zu kurz. Daher ist es ganz wichtig, einen gut passenden Maulkorb, der nicht zu gross oder zu klein ist und gut sitzt, zu kaufen. Für das Aufbautraining habe ich auch schon vorne beim (Kunststoff-) Maulkorb ein paar Stäbe rausgeschnitten, damit die Belohnung besser gegeben werden kann. Im Freien habe ich dann einen intakten Maulkorb benützt und als Belohnung z.B. Freilauf, Buddeln etc. genommen.

  • #3

    Katarina (Donnerstag, 24 März 2016 01:11)

    Liebe Carmen - du zeigst das so schön mit Finja! Sie scheint mit dem Maulkorb nicht im geringsten etwas Negatives zu verbinden. Ich freue mich, dass ich auf diese Seite gestossen bin (resp. dass du mich darauf geschubst hast). Hier lerne ich zwar nur in der Theorie, aber die speichert sich im Kopf und löst so Lernprozesse aus ... danke!

  • #4

    Carmen Karger (Samstag, 26 März 2016 10:06)

    Liebe Katarina,
    schön, dass du meinem Hinweis gefolgt bist. Auf dieser Blogseite werden zu verschiedenen Themen immer wieder verschiedende cumcane-familiari Trainer-/innen einen Beitrag schreiben, den es sich zu lesen lohnt. Es ist toll, dass diese Beiträge bei den Lesern etwas auslösen. Bei der Umsetzung sind wir Trainer-/innen sehr gerne bereit, Unterstützung zu leisten, damit freudiges, nachhaltiges Lernen bei Mensch und Hund statt finden kann.
    Danke für Dein Feedback.