Training

Kuss vom Chef - oder wann eine Belohnung eine Belohnung ist

Positive Verstärkung belohnt erwünschtes Verhalten. Damit ein Hund dieses Verhalten aber zuverlässig zeigt, muss der Lohn stimmen. Nicht nur punkto Quantität. Sondern vor allem, was die Qualität betrifft. Die dementsprechend schlechte Nachricht: Den Hund mit Keksen zu "fluten" führt unter Umständen zu Übergewicht, aber nicht unbedingt zum Trainingserfolg. Die gute: Unser Hund verrät uns, wofür er bereit ist, so ziemlich alles zu tun, was wir von ihm verlangen. Wie wir an diese Informationen kommen, und was wir darüber hinaus beim Belohnen beachten müssen, das wiederum verrät uns Alice Bigler von TeamMenschHund.

Stellen wir uns mal folgendes vor: Draussen ist es schön. Aber ich bin drinnen, wo es stickig und heiss ist und das Telefon ständig klingelt, denn ich muss arbeiten. Was an Tagen wie diesen nervt, aber - nunja - ich muss ja meine Brötchen verdienen. Am Abend fahre ich nach Hause und finde im Briefkasten den Gehaltsnachweis. Oh fast vergessen, Juni, da gibts die Hälfte des 13.! Eine schöne Zahl. Da kommt es mir wieder in den Sinn: ich geh ja arbeiten, um Geld zu bekommen. Meine Laune bessert sich. Mein Partner ist noch nicht zu Hause, also kümmere ich mich um das Abendessen. Ich koche sein Lieblingsessen, ich mag meinen Mann, also tue ich ihm etwas Gutes. Als er nach Hause kommt, strahlt er über das ganze Gesicht und isst mit Appetit. Zufrieden bedankt er sich für das Essen, nimmt mich in den Arm und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel – ich bin auch zufrieden.

 

So weit so gut, oder? Die Reaktionen auf mein Verhalten, die Konsequenzen meines Handelns sind gut für mich. Es lohnt sich, weiter so zu handeln.

Sich zu überlegen, was der eigene Hund gerne macht, ist ein Weg, um eine Belohungungsliste zusammenzustellen. Ein anderer, ergänzender: Ihm die Wahl lassen. Vor allem, wenn es darum geht, Prioritäten zu erkennen. Rumo zeigt in diesen und den folgenden Bildern, was sein Herz besonders begehrt. 

Jetzt stell dir aber einmal vor, Ende des Monats kommt dein Chef zu dir, nimmt dich in den Arm, gibt dir einen Kuss und bedankt sich für deine Arbeit! Oder aber dein Partner isst kommentarlos das von dir liebevoll zubereitete Essent und legt dir einen 10er auf den Tisch, steht auf und geht? Ich weiss nicht genau, was von beidem ich schlimmer fände. Allerdings weiss ich sehr genau, dass ich mir a) einen neuen Job suchen würde und b) mein Freund ab sofort selbst für seine Versorgung mit Nahrung zuständig wäre!

 

Ja, schon klar: ich bin ein Mensch, und hier geht es um Hunde. Allerdings unterscheiden wir uns lernbiologisch wenig. Was sich für ein Individuum gut anfühlt und was sich lohnt, wird gerne und öfters gezeigt – die Grundlagen der klassischen und operanten Konditionierung. Gilt für Menschen und für Hunde.

Das bedeutet für dein Training, dass du die Motivation hinter einem Verhalten kennen solltest. Gehört mein Hund zum jagdlich motivierten Typ, belohne ich sein Zurückkommen auf den Rückruf mit einem Hetz- oder Zerrspiel. Mit dieser, seiner Motivation entsprechenden Belohnung verstärke ich das Zurückkommen. Würde ich meinem jagdlich motivierten Hund stattdessen einen Keks geben, dann würde ich ihn lediglich füttern. Aber nicht belohnen. Deswegen wird er das nächste Mal sicherlich nicht schneller zurückkommen, weil es sich für einen Keks nicht wirklich lohnt.

Es ist also sinnvoll, sich zu überlegen, was dein Hund gerne hat oder tut - unabhängig davon, ob du als Mensch das toll findest oder nicht. Schreibe zehn davon auf, aus diesen Top Ten lässt sich wunderbar eine individuelle Belohnungsliste für deinen Hund ableiten. Nicht ganz klar wie? Hier ist meine Top-Ten-Liste von meinem Hund Rumo:

 

1. Bälle, grosse Bälle, kleine Bälle, Bälle mit Schur, Bälle die quietschen, Fussbälle, Tennisbälle, Bälle

2. Spielie tragen

3. In den Strahl des Gartenschlauchs beissen

4. Wasser im Allgemeinen

5. Sachen zerstören, vom Kissen über Klobürste, Hauptsache es fliegen die Fetzen

6. Buddeln

7. Rennen

8. Sachen „wegfinden“

9. Das Haus bewachen

10. Sich in Fuchsk*** wälzen

11. Einfach nur gucken

12. Schmüselen

13. H.R. Giger (die Katze) jagen

14. An Menschen hochspringen

15. Den Teller sauber lecken

Nicht aus allem lässt sich für mich eine Belohnung ableiten – so zum Beispiel möchte ich nicht, dass er unsere Katze jagt... auch nicht auf Signal. Und auch das mit der K*** muss nicht unbedingt sein. Punkte 2, 4, 6, 7 und 11 aber kann man wunderbar unter Signal setzen. Eine Highlight Belohnung für meinen Hund ist, wenn ich ihm sage, dass er nun „chosle“ dürfe, also mit Wasser spielen. Auch Vögel gucken ist super – „scan“ und Rumo bleibt wie angewurzelt stehen und schaut den Krähen zu. Anderes bietet mir tolle Beschäftigungen an Regentagen: einen mit Papier und einem Schweineohr gefüllten Karton zerrupft er mit Hingabe. Und ich bin sicher, das Schreddern macht ihm mehr Spass als am Schluss das ausgepackte Ohr zu fressen. Diese Art der Belohnung kann ich auch auf einen Spaziergang mitnehmen: ein paar Kekse in Haushaltspapier, eingepackt in einem alten Brotsäckchen – et voilà. Ausserdem habe ich eine Wasserpistole dabei. Allerdings nicht, um meinen Hund von etwas abhalten zu wollen. Sondern für eine Belohnung, die darin besteht, dass er in den Wasserstrahl beissen darf.

Wichtig zu wissen und zu beachten: Eine Belohnung ist nicht für jedes Verhalten passend. Will ich Rumo streicheln, wenn er gerade im Ball-Spass-Modus ist, ernte ich einen "strafenden" Blick. Will ich ihn zur Belohnung rennen lassen, wenn er von einem Jagdausflug bei 30 Grad im Schatten zurück kommt, dann strafe ich ihn damit wohl eher.

 

Eben, wer will schon einen Kuss vom Chef?


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