Intelligenz

Guck mal, da oben fliegt ein Elefant!

Natürlich flog da kein Elefant. Aber der Ausruf plus himmelwärts weisendem Zeigefinger war ein wirksamer Trick, die Aufmerksamkeit des Sandkastengspänlis ausreichend lange abzulenken, um in den Besitz des rosa Backförmchens zu kommen. Wie man inzwischen weiss, sind nicht nur wir Menschen zu derlei Gemeinheiten fähig. Unsere Hunde stehen uns hier in nichts nach, wenn es um ihren Vorteil geht. Achtet also gut auf eure Backförmchen!

Marianne Heberlein ist Biologin und erforscht am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften an der Universität Zürich die Kognition von Hunden und Wölfen. Eines Tages stellte Marianne Heberlein bei ihren eigenen Hunden fest, dass die sich zuweilen gegenseitig an der Nase herumführten, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Zum Beispiel in Form eines vorgewärmten, bequemen Liegeplatzes. Um an den ranzukommen lockte der eine den anderen mit einer Ablenkung aus dem Körbchen und machte es sich an seiner Stelle dort bequem.  Heberlein fragte sich: Würden Hunde sich auch gegenüber Menschen so clever verhalten? Die mit einer Studie ermittelte Antwort mag für Lassie-Fans ein wenig ernüchternd sein, aber sie lautet "ja". Wenn Hunde ihren eigenen Vorteil wittern, scheuen sie sich nicht vor - wenn man so will - "unlauteren" Mitteln.

 

Für diese Studie untersuchten Heberlein und ihr Team das Verhalten von 27 Hunden in einem Versuch. Zunächst mussten die Wissenschafter herausfinden, was die Hunde bevorzugten: ein Stück Wurst oder einen Hundekuchen. Dann machten sie die Tiere mit zwei Frauen bekannt. Die eine nahm die Lieblingsleckerei des Hundes aus dem Napf, rief den Hund und gab sie ihm - die andere steckte Wurst oder Kuchen vor den Augen des Hundes in die Tasche. So lernte der Hund: Die eine Frau gibt ihm die Leckerei, die andere behält sie für sich.

 

Für den eigentlichen Versuch stellten die Wissenschaftler drei Schachteln auf. Vor den Augen der Hunde legten sie in die eine Schachtel die Wurst, in die zweite den Kuchen, in die dritte nichts. Die Hunde sollten die beiden Frauen nun zu den Schachteln mit dem Essen führen. Die grosszügige würde ihnen daraufhin Kuchen oder Wurst geben, die andere den Inhalt für sich behalten. Die Schachtel wurde dann wieder leer zu den anderen gestellt. Im Anschluss nahm der Hundebesitzer das Tier an die Leine und befahl ihm, erneut zwischen den drei Boxen zu wählen. Falls der Hund eine Schachtel mit einer Leckerei wählte, durfte er diese essen.

 

Wie genau verhielten sich die Hunde?

Am ersten Testtag führten die Hunde die grosszügige Frau überwiegend zu der Schachtel mit ihrem Lieblingsleckerli, die egoistische Frau eher zufällig zu einer der gefüllten Boxen. Am zweiten Tag hingegen hatten die Hunde noch stärker dazugelernt: In weniger als 20 Prozent der Fälle gingen sie mit der Frau, die das Essen behielt, zu ihrer bevorzugten Leckerei, sondern bevorzugt zur leeren Schachtel oder zum weniger geliebten Essen, weil sie wussten: Die "böse" Frau würde den Inhalt nicht hergeben und sie würden nichts bekommen. Doch danach bekamen sie durch ihren Besitzer in der zweiten Runde die Chance, die Schachtel mit ihrem Lieblingsleckerli auszuwählen und dieses auch zu bekommen.

Die Ergebnisse haben Marianne Heberlein und ihr Team in der Zeitschrift "Animal Cognition" veröffentlicht.

 

Manchmal sind unsere Hunde geradezu menschlich, allzu menschlich.


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